DER FAULE APFEL UND DIE GRUPPE
DAS PROBLEM MIT DER SOLIDARITÄT
Zu spät, immer wieder zu spät, finden wir Menschen uns zusammen um sich gegen einen gemeinsamen Feind zusammenzuschließen.Das können die Störenfriede im Klassenverband sein, die Spaßverderber in der Gruppe, der egozentrische Vorgesetzte, Entscheidungsverschlepper, oder natürlich eben auch ein hochaggressiver Machtmissbraucher.
Da wird dann verharmlost, relativiert, die letzte Hoffnung trotz noch so vieler Gefährdungen aufrechterhalten. Und erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, die Destruktion unübersehbar, wird gehandelt und sich solidarisch erlebt, da die Katastrophe unübersehbar ist und damit zum Zentrum der kollektiven Aufmerksamkeit wird.
Diese Art von Solidarität ist dann allerdings (passiv)-reaktiv und auch verhältnissmäßig einfach aufgrund des breiten Gruppenkonsens, für den ein oder anderen sogar auch publikumswirksam.
Viel, viel schwieriger ist es, Solidarität herzustellen anlässlich einer möglichen Bedrohung von Werten, ideellen wie materiellen. Da gerät man schon auch leicht ins Abseits, wird zum Mahner in der Wüste und prallt auf die naive Abwehrmauer des Nicht-Wahr-Haben-Wollens.
Natürlich ist es klar, dass eine ungünstige Prognose noch keine Realität bedeutet im Gegensatz zu einer eingetretenen Katastrophe mit sichtbaren Folgen.
Dies ist ja auch teilweise das Grundproblem in Stalkingdynamiken. `Da muss erst mal was passieren, damit gehandelt wird`, wie es so oft landläufig heißt.
Aber die Bedrohungslage bahnte sich schon länger an, es sind schon Risse oder kleinere Schäden entstanden, durch die Werte sichtbar bedroht sind. In diesem Vorfeld Solidarität im Sinne eines Grundwertes zu erzeugen ist nicht ganz einfach und erfordert teilweise Mut und Zivilcourage.
Besonders eindrücklich wird mir dieser Solidarkonflikt immer wieder deutlich in Erzählungen von Mobbingopfern. Da wird lange Zeit zugelassen, nicht hingeschaut, dem Opfer Schuld zugewiesen und so weiter. Die Verantwortlichen wirken oft überfordert oder werden zum Teil als interessenlos erlebt.
Aufgrund des lärmenden Täters wird der Focus dann aber meist auf bzw. gegen ihn gerichtet, die betroffene Gruppe – immer ist eine Gruppe zumindest indirekt mitbetroffen – außeracht gelassen. Aber genau dieser blinde Fleck ist das Kernproblem.
Man muss ja sehen, dass die Täter eine destruktive Dynamik in sich tragen, die sich auf gute Beziehungen richtet, die Lebensfreude und Sinngebung kaputt machen will, die egozentrische Lustbefriedigung über das Gemeinwohl stellt.
Es handelt sich um Täter, die zu tiefst enttäuscht, frustriert und wütend sind, manchmal gar eiskalt menschlicher Wärme gegenüber geworden sind. Deren Ziel es ist, über den Einsatz destruktiver Methoden auch Destruktion zu ernten als Bestätigung ihres zutiefst feindlichen Weltbildes.
Je mehr also man sich am Täter abarbeitet und gleichzeitig die Gruppe als Korrektiv nicht stärkt, je mehr läuft man Gefahr, die Aggression aufrecht zu erhalten.
Somit bildet (pro)-aktive Solidarität die stärkste friedliche Abwehr gegen Destruktion, die wir haben. Eben schon früh sich in der Gruppe der Bedrohung der Werte gewahr werden, sich zusammenschließen und den Saboteur isolieren. Und vor allem Lebensfreude, Entdeckungslust und Lust auf Zusammensein nahezu demonstrativ leben, da dies kaputt zu machen das Hauptziel dieser negativen Seelen ist.
So lange jedoch das Herstellen aktiver Solidarität aus unserer Bequemlichkeit, unseren Egoismen und unserer Furcht scheitert, so lange haben Destrukteure immer wieder leichtes Spiel und können den einen gegen den anderen ausspielen.
Bezogen auf die Aktualität der zutiefst beschämenden Kriegshandlungen in der Ukraine lässt sich folgendes Fazit ziehen:
Ob die Kraft und Stärke der Anti-Destruktions- und Pro-Freiheitsbewegungen auch eine aktive solidarische Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft zur Folge hat, wird sich in der Zeit nach Beendigung der Kriegshandlungen aber erst noch erweisen müssen.